9. Oktober '20
Der neue Kanzler der Hochschule Coburg spricht über seine Pläne und darüber, warum er hierher passt. Außerdem verrät er, wo er gern Rosinen pickt.
Eigentlich hatte er einen Spitzenjob: Dr. Matthias Kaiser war Geschäftsführer des Campus Kulmbach der Uni Bayreuth. „Mein Schwiegervater hat gesagt: Wie kann man denn nur so eine Stelle aufgeben?“ Kaiser lacht. Er lacht gerne, und er lacht laut. Die tiefe Männerstimme ist noch draußen im Gang der Hochschulleitung zu hören. Das ist neu. Fast ein Vierteljahrhundert war Maria Knott-Lutze als Kanzlerin die Verwaltungschefin der Hochschule Coburg; zum 1. Oktober übernahm Kaiser das Amt von ihr.
Am ersten Tag stellte er den Schreibtisch um und räumte eine Reihe blauer Bücher ein: Fachliteratur aus dem Wirtschafts-Verlag Springer und Gabler. Kaiser hat an der Brandenburgischen TU Cottbus Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen studiert und dort im Fachgebiet BWL und Marketing auch promoviert. Bereits vor knapp zehn Jahren veröffentlichte er seine Dissertation zur „Zukunft von eLearning an Hochschulen“ – ein Thema, das in der Coronakrise rasant an Bedeutung gewonnen hat. Der neue Kanzler will die Digitalisierung insgesamt vorantreiben und verschiedene Bereiche vernetzen. Innerhalb der Hochschule, aber auch darüber hinaus: mit anderen Hochschulen, Unternehmen, Stadt- und Landkreis.
Der 42-Jährige versteht sich als Brückenbauer, als einer, der Verbindungen schafft. Das passt. Coburg ist in der Hochschullandschaft bekannt dafür, dass hier so unterschiedliche Bereiche wie Soziale Arbeit und Versicherungswirtschaft gemeinsame Projekte durchführen, dass beispielsweise Kulturgüterschutz und Technik zu einem neuen Masterstudiengang Digitale Denkmaltechnologien verbunden werden oder dass bei ZukunftsDesign Absolventen verschiedener Fachgebiete zusammenarbeiten. „Als Wirtschaftsingenieur liebt man fachheterogene Teams“, sagt Kaiser. „Weil man überall das Beste, die Rosinen, herauspicken kann.“ Das gilt auch für die Zusammenarbeit von Verwaltung und Fakultäten; immer mit dem Ziel, den Studierenden die bestmögliche Ausbildung und den Mitarbeitenden einen echten Servicemehrwert zu ermöglichen. Auch in Corona-Zeiten.
Resümee an Tag 2
Nach den ersten zwei Tagen an der Hochschule habe seine Frau gesagt: „Ich merke, dass du dort als Mensch schon angekommen bist.“ Kaiser erzählt das in der Besprechungsecke seines neu geordneten Kanzlerbüros. Auf dem Tisch steht eine Pflanze, die ist auch noch ganz neu. Ein Geschenk seiner Mitarbeiterinnen. „Ich bin so herzlich willkommen geheißen worden, habe mich gleich wohlgefühlt.“ Und er war schon an sehr unterschiedlichen Orten, hat viel erlebt. Ein Forschungsaufenthalt in Japan, ein paar Monate Indien. „Teilweise waren es Grenzerfahrungen.“
Der gebürtige Westfale kam 2014 nach Franken, um am Lehrstuhl für Innovations- und Dialogmarketing der Universität Bayreuth zu habilitieren. Vorher hatte er mehrere Jahre in Mannheim als Projektleiter für eine Unternehmensberatung in der Gesundheitswirtschaft gearbeitet, nun wollte er sich wissenschaftlich mit Gesundheitsökonomie auseinandersetzen. „Aber dann kam das Angebot, nach Kulmbach zu gehen.“ Es ermöglichte ihm, sein Interesse an Management und Wissenschaft zu verbinden. „Ich glaube, dass es sehr nützlich ist, beide Welten zu kennen, zu verstehen und zu verbinden.“ Außerdem war klar, dass er in der Region bleiben will. „Ich habe meine Frau hier kennen gelernt.“ Sie hat eine Pfarrstelle in Helmbrechts. Dort lebt das Ehepaar Kaiser auch. Noch. Der Kanzler will in die Region Coburg ziehen.
Das war schon nach der ersten Woche klar. Und sonst? Steckt er schon mitten in den unterschiedlichsten Themen, beschäftigt sich mit Budgets, mit beruflicher Weiterbildung und Internationalisierung, mit den verschiedenen Standorten der Hochschule und der künftigen Ausrichtung. Er spricht nach und nach mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Partnern aus Wirtschaft und Politik. „Ich höre gut zu. Ich will das Beste für die Hochschule und in meiner neuen Position kann ich viel Gutes bewegen.“ Das war es auch in etwa, was er seinem Schwiegervater entgegnete, als der sich wunderte, warum er Kulmbach verlassen wollte: „Dort fing alles mit einem weißen Blatt Papier an, der Campus war ein klassisches Startup. Hier in Coburg geht es um das Management im Bestand – das ist eine ganz andere Verantwortung.“ Er nickt zufrieden, fügt leise hinzu: „Diese große Gestaltungsaufgabe: Das reizt mich. Wir haben einen wichtigen Auftrag für diese Region.“