19. Juli '22
Im Wintersemester startet an der Hochschule Coburg der deutschlandweit einzigartige Master-Studiengang Additive Manufacturing and Lightweight Design. Was daran außergewöhnlich ist und welche Rolle Lichtenfels dabei spielt, erklärt Studiengangsleiter Prof. Dr. Alexander Rost im Interview.
Es geht um additive Fertigung also 3D-Druck und Leichtbau – was ist so besonders an der Kombination?
Prof. Dr. Alexander Rost: Das Grandiose ist, dass wir Menschen nachhaltig ausbilden. Es geht um technologische Entwicklungen, die uns helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Das Thema ist zum Beispiel immer wichtig, wenn etwas bewegt wird. Ich kann das an einem einfachen Beispiel erklären, das ich gerade in meinem Büro habe: Es ist die Durchlade eines Fahrzeugs, ein Teil der Rücksitzbank, das man runterklappen kann, um seine Skier durchzustecken. Das ist hier ein faserverstärkter Leichtbauwerkstoff mit einer Verbundstruktur auf der Rückseite, und dieses Strukturbauteil aus Kunststoff ist nicht nur kostengünstiger, sondern auch um ein Vielfaches leichter als das Originalbauteil aus Stahl und Blech. Wenn das Fahrzeug leichter ist, brauche ich weniger Energie. Das reduziert den Treibstoffverbrauch und ist auch in der Elektromobilität bedeutend. Nachhaltig ist unsere Ausbildung aber auch in einer anderen Hinsicht, nämlich mit Blick auf die Studierenden. Sie bekommen eine Basis, auf die sie ein ganzes Arbeitsleben aufbauen können. Es geht um Technologien in einem Industrieumfeld, das sich schnell entwickelt, und unser besonderes Lehrkonzept vermittelt die Freude an neuen Entwicklungen.
Wie wird das vermittelt?
Unsere Lehre ist praxisorientiert und projektzentriert. Eine Gruppe von Studierenden bekommt eine praktische Aufgabe. Diese kann zum Beispiel aus der regional ansässigen Industrie stammen, wird aber von uns ein wenig abgewandelt, so dass wir sie mit Gruppen von Studierenden in begrenzter Zeit lösen können. Die Studierenden brauchen ein paar Grundlagen, dann müssen sie anfangen, das Projekt zu planen – wie bei einem Problem im Arbeitsalltag einer Firma müssen sie zusammenarbeiten. Aber sie bekommen auch Hilfe und Unterstützung von uns. Sie lernen Teamarbeit und die Kommunikation mit Kunden. Auch der betriebswirtschaftliche Teil kommt nicht zu kurz, denn sie müssen auch die Kalkulation machen. Sie entwickeln die Fähigkeit, sich selbstständig Wissen zu erarbeiten. Das und die zukunftsweisenden Inhalte ist gefragt. Die Unternehmen suchen solche Leute.
Welche Partner:innen haben Sie im Studiengang?
Formaler Partner ist der Förderverein des Forschungs- und Anwendungszentrums für digitale Zukunftstechnologien mit dem ersten Vorsitzenden Frank Herzog und der Zweckverband aus der Stadt und dem Landkreis Lichtenfels. Beim Thema additive Fertigung haben wir in Lichtenfels einen Standort mit großer Tradition, aber es ist nicht nur das Unternehmen GE Additive Lichtenfels, sondern es gibt inzwischen ganze Reihe Firmen, die sich mit den Themen befassen. Brose hat in Coburg zum Beispiel eine eigene Abteilung zum Thema additive Fertigung, Weber Maschinenfabrik in Kronach bietet Maschinen für den Kunststoff-3D-Druck an und Rösler Oberflächentechnik bietet Maschinen und Prozesse zum Nachbearbeiten von 3D-gedruckten Bauteilen an. Das Spannende ist das Spektrum zwischen Großserien für die Automobilindustrie und Kleinstserien bis hin zu Unikaten. Wir haben zum Beispiel die Möbelmanufaktur Bullfrog dabei, die hochwertige Qualität produziert. Nichts, was die Kunden selbst zusammenbauen. Die Möbel müssen aus Arbeitsschutzgründen leichter werden, sonst dürfen Menschen die nicht mehr tragen. Die Kombination aus Leichtbau und additiver Fertigung kann sehr unterschiedliche Probleme lösen. Um die 60 Firmen sind derzeit in im Förderverein organisiert, im Wesentlichen aus dem Innovationsdreieck – Coburg – Kronach – Lichtenfels.
Leichtbau und additive Fertigung: So hätte der Studiengang auch heißen können…
Der Anspruch von Additive Manufacturing and Leightweight design ist international. Ein Teil des Studiums wird auf Englisch stattfinden. Das hat zwei Zielrichtungen: Zum einen müssen Ingenieur:innen heute in der Lage sein, sich in einem Unternehmen englisch auszudrücken und dafür muss man auch Übungsfelder schaffen. Zum zweiten möchten wir Studierende aus ganz Deutschland und auch aus anderen Länder hierher holen – und am besten als qualifizierte Arbeitnehmer:innen in der Region halten. Wir möchten Techniker:innen, Ingenieur:innen und Naturwissenschafler:innen ansprechen, die etwas Neues lernen wollen – egal, ob sie direkt nach dem Bachelor kommen oder schon ein paar Jahre im Beruf sind. Wir wollen überregionale Wirksamkeit erzeugen und zeigen, dass wir ein tolles Angebot haben und auch dass es hier eine tolle Region mit innovativen Arbeitgeber:innen und hoher Lebensqualität gibt.
Wo findet das Studium statt?
In Coburg und Lichtenfels, und zwar jeweils in größeren Blöcken. Also zum Beispiel acht Wochen hier, dann acht da – je nach Modul. Im Moment bauen wir in der Laurenzistraße in Lichtenfels um. Dort sind wir dann bis 2026 die Kirschbaummühle fertiggestellt wird.