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27. Oktober '23

Ein Zyklotron ist wie Achterbahn für Ionen: Wenn elektrisch geladene Teilchen in einer spiralförmigen Bahn beschleunigt werden, ermöglicht das einen Blick in die kleinen und großen Geheimnisse des Universums. An der Hochschule Coburg gibt es ein besonderes, kleines Zyklotron – und das führte den japanischen Wissenschaftler Takaoki Takanashi nach Oberfranken und direkt ins Labor von Prof. Dr. Martin Prechtl.

Im Labor für Angewandte Vakuumtechnik der Hochschule Coburg steht ein halbes Dutzend Wissenschaftler:innen beisammen. „Ich habe acht Jahre damit verbracht, ein Zyklotron in meiner Wohnung zu bauen“, erzählt der japanische Physiker PhD Takaoki Takanashi. Er forscht im Neutron Beam Technology Team des renommierten Riken Center for Advanced Photonics in Tokio zum Thema Teilchenbeschleunigung. In einem Zyklotron werden Ionen, elektrisch geladene Teilchen, durch ein elektromagnetisches Feld in eine spiralähnliche Beschleunigungsbahn gelenkt. Sie durchlaufen sie immer wieder, werden schneller und schneller. Auch der erste Teilchenbeschleuniger im CERN war ein Zyklotron.

Von großen und kleinen Teilchenbeschleunigern

Der Teilchenbeschleuniger im CERN nahe Genf ist jetzt die größte Forschungsmaschine der Welt: In einem 27 Kilometer langen, ringförmigen Tunnel unter der Erde werden Teilchen fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Wenn zum Beispiel Protonen dann zusammenkrachen, lässt das Rückschlüsse auf den Urknall zu, auf den Aufbau der Materie und die Entstehung des Lebens. Die großen Geheimnisse des Universums also. „Studierende und auch schon Schülerinnen und Schüler lernen in Physik, wie ein Teilchenbeschleuniger funktioniert“, sagt Prof. Dr. Martin Prechtl. „Aber gesehen haben die wenigsten einen.“ Prechtl ist Professor für Technische Mechanik und Mechatronik an der Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik der Hochschule Coburg und leitet das Labor für Angewandte Vakuumtechnik, in dem das Coburger Zyklotron steht. „COLUMBUS“ heißt es und hat eine Vakuumkammer mit einem Durchmesser von 200 Millimetern und einer Höhe von 75 Millimetern. „Seine große Bedeutung liegt in der überschaubaren Größe“, erklärt Prechtl. „Es ist ein Labor-Experiment.“ Das kleine Zyklotron ist voll funktionsfähig und in Praktika und Workshops können Studierende und auch Schüler:innen damit selbst experimentieren. „Das wäre im CERN – naja“, der Professor lacht: „ziemlich ausgeschlossen.“

Workshops der TechnologieAllianzOberfranken

Das Lehr-Zyklotron an der Hochschule Coburg wurde mit Unterstützung des Forschungszentrums Jülich und einiger deutscher Firmen gebaut und bereits vor gut zehn Jahren in Betrieb genommen. Initiiert hat das Projekt Christian Wolf – damals, um als Physiklehrer am Coburger Gymnasium Ernestinum ein Jugend-forscht-Projekt zu unterstützen. „Heute haben wir an der Hochschule jedes Jahr zwei bis drei Workshops mit Schülerinnen und Schülern aus ganz Oberfranken“, erzählt Wolf. Im Rahmen des Schülerforschungszentrums der TechnologieAllianzOberfranken (TAO) hat er als Lehrbeauftragter der Hochschule inzwischen schon vielen jungen Menschen die faszinierende Welt der Beschleunigungsphysik vermittelt.

Prof. Dr. Jasmin Walk von der Fakultät Angewandte Naturwissenschaften und Gesundheit berichtet, wie das Zyklotron an der Hochschule Coburg in den Bachelor-Studiengängen Technische Physik und Zukunftstechnologien genutzt wird, um den Lehrstoff in der Praxis zu vermitteln. „Die Studierenden führen verschiedene Messungen durch und können bei Themen wie Wellen und Magnetismus gut die physikalisch-technischen Zusammenhänge erarbeiten.“ An der Hochschule entstehen rund ums Zyklotron Berichte, Referate, Bachelor- oder Masterarbeiten. Walk forscht und lehrt an der Fakultät Angewandte Naturwissenschaften und Gesundheit unter anderem zu Life-Science und Medizintechnik. „Teilchenbeschleuniger – vor allem die kleinen – werden in diesem Bereich eingesetzt, um die medizinische Bildgebung zu unterstützen, beispielsweise um Markerstoffe herzustellen.“ Es geht also nicht immer um die großen Geheimnisse des Universums. Manchmal geht es auch um so etwas wie die Bestrahlung von Tumoren. Alltäglich. Wichtig. Walk lächelt: „Genau das interessiert unsere Studierenden!“

Home Lab ergänzt Home Office

Für das Thema begeistern möchte auch Takaoki Takanashi, der japanische Forscher mit dem Zyklotron im Appartement. Ob seine Nachbarn eigentlich ahnen, womit er in seiner Wohnung experimentiert? „Na klar. Die sind selbst alle in der Forschung – ich wohne beim Institut.“ Er lacht: „Ich bin kein verrückter Wissenschaftler oder so.“ Takanashis wissenschaftlicher Hintergrund ist Technische Physik und Mathematik. Also eigentlich der theoretische Part. Er erzählt, wie er durch den Bau seines kleinen Zyklotrons feststellte, dass sich damit etwas über alle möglichen Arten von physikalischen Experimenten praktisch lernen lässt. „Nicht nur Mechanik, auch starke Magneten oder andere Dinge. Es ist wirklich sehr lehrreich! Für jedermann!“ Es gibt ein Programm, um Schülerinnen und Schülern und Studierenden in Japan die Teilchenbeschleunigung zu vermitteln: Dabei sollen sie gemeinsam ein Zyklotron für die jeweilige Bildungseinrichtung bauen. Bisher funktioniert das in der Praxis aber noch nicht. Takanashi sucht Unterstützung bei verschiedenen Fachleuten –  so kam er nach Coburg.

China, Japan, Oberfranken

Prechtl und Wolf hatten für eine Konferenz im chinesischen Peking einen Fachartikel geschrieben. Dadurch wurde Takanashi auf den Coburger Ansatz aufmerksam und kam in Peking mit Wolf ins Gespräch. Dabei ging es auch um das Buch, das Prechtl und Wolf geschrieben haben: „Das Lehr-Zyklotron COLUMBUS. Mit einem Teilchenbeschleuniger Physik und Technik erleben“. Es ist in der Buchreihe „Essentials“ des Springer-Verlags erschienen. Takanashi denkt darüber nach, es ins Japanische zu übersetzen.

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