KI: Wie sich kluge Maschinen entwickeln

Donnerstag. 29. Juli 2021 (Natalie Schalk)
Florian Mittag
Prof. Dr. Florian Mittag – Foto: Julian Uebe / Hochschule Coburg

Logisch denken, merken, kombinieren, Probleme lösen: Was genau Intelligenz ist, lässt sich schwer sagen – und das gilt nicht nur für menschliche, sondern auch für künstliche Intelligenz, wie Prof. Dr. Florian Mittag aus dem Studiengang Visual Computing der Hochschule Coburg erklärt.

Ein Mann und ein scharfsinniger Sportwagen kämpfen gegen das Unrecht: Mit dem sprechenden Auto K.I.T.T. wurde die künstliche Intelligenz aus der der Serie „Knight Rider“ in den 1980er Jahren Kult. Florian Mittag, Jahrgang 1982, war damals ein kleiner Junge, der auf Science Fiction stand. Die Begeisterung für Wissenschaft und Technik blieb: Mittag studierte Informatik an der TU Kaiserslautern und begann, sich mit dem Semantic Web zu beschäftigen, einer Technologie, die Suchmaschinen hilft, Informationen zueinander in Beziehung zu setzen und dadurch zu ermitteln, welche Bedeutung die Wörter haben. So könnte man beispielsweise nach allen Kuchenrezepten suchen, in denen keine Zitrusfrüchte vorkommen. Später promovierte Mittag im Bereich Bioinformatik in Tübingen und sammelte bei verschiedenen Unternehmen Erfahrung als Software-Entwickler und Berater für KI. Seit dem Sommersemester 2021 lebt er mit seiner Familie in Coburg und forscht und lehrt hier als Professor für künstliche Intelligenz im Bereich Visual Computing an der Hochschule. Er wird einer derjenigen sein, die das künftige Kompetenzzentrum für künstliche Intelligenz mit Leben füllen.

Statistik für Maschinen

„Was mich als Kind so fasziniert hat, war die Idee von der starken KI, die ein Bewusstsein hat, eine Persönlichkeit und eigene Absichten.“ Der Professor lacht. „Gegenstand der Forschung heute ist allerdings eher, wie man in großen Datenmengen Muster findet.“ Also keine Computer, die denken, fühlen und ihre eigene Programmierung ändern können. Kein K.I.T.T., kein R2-D2 und auch kein Terminator. Aber dennoch Programme, die lernen und durch neue Eindrücke ihr Verhalten anpassen. „Maschinelles Lernen“ wird diese Form der künstlichen Intelligenz genannt und besonders das „Deep Learning“ verschiebt seit einigen Jahren immer wieder die Grenzen des Machbaren. Im Visual Computing bedeutet das zum Beispiel, dass ein Computer auf Fotos von Autos, Landschaften und Menschen die Gemeinsamkeiten erkennt. Muster, die dem Programm helfen, auf anderen Fotos ebenfalls Autos, Landschaften und Menschen zuzuordnen. Dass Programme Bilder erkennen, hilft bei der Bildersuche. Aber ist das schon Intelligenz?

„Wir tun uns schwer, beim Menschen zu definieren, was intelligentes Verhalten ist. Bei künstlicher Intelligenz ist das nicht anders. Die Grenze zu einfachen Algorithmen ist fließend.“ Ein Algorithmus ist ein festgelegter Arbeitsablauf, hinter dem eine Menge Regeln stehen. Das beschreibt alles, was Computer tun. „Bei KI sind die Regeln nur viel komplexer als bei einfachen Algorithmen.“ Aber auch dieser Unterschied ist nicht eindeutig: „Vieles, was man vor 20, 30 Jahren als KI bezeichnet hat, sieht man heute als ganz einfachen Algorithmus. Immer dann, wenn die KI ein Problem gelöst hat, sagen Leute: Das ist ja einfach, das ist ja keine Intelligenz, sondern nur ganz viel Rechenpower.“

Angelehnt an das menschliche Gehirn

Mittag erzählt von Anwendungen im Bereich Visual Computing, bei denen mit künstlichen neuronalen Netzwerken gearbeitet wird, die ähnlich aufgebaut sind wie das menschliche Gehirn. Die Methoden Upscaling und Supersampling beispielsweise nutzen bei der Bildauflösung aus, dass unser Gehirn vieles ergänzt, das vom Auge nicht wahrgenommen wird. So kann die optische Wahrnehmung deutlich verbessert werden, ohne dass die Bilder tatsächlich besser sind. „Bei Computerspielen kann eine gute Grafik mit weniger Leistung berechnet werden.“ Die Technik ist weit gekommen. Deshalb sei auch wichtig, sich bewusst zu machen, dass Bilder nicht unbedingt die Realität abbilden. Mit der richtigen App auf dem Smartphone können auch normale Nutzer heute schon Gesichter so in andere Bilder setzen, dass es kaum erkennbar ist. „Auch Videos lassen sich leicht manipulieren.“ Deshalb vermittelt Mittag den Studierenden im Visual Computing nicht nur, wie sie die Technologien anwenden – sondern auch, wie sie zu beurteilen sind.