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20. Mai '22

von Natalie Schalk

Moderne Kunststoffe werden biologisch hergestellt und von Mikroben abgebaut. Was genau dabei in der Erde passiert und wie sich das auswirkt, wird in einem Forschungsprojekt untersucht. Prof. Dr. Matthias Noll von der Hochschule Coburg über die bisherigen Erkenntnisse.

Plastik ist leicht, stabil, lässt sich in nahezu alle Formen bringen und kostet nicht viel. Dass es bisher meist aus dem fossilen Rohstoff Erdöl hergestellt wird, ist allerdings nicht der einzige Nachteil: Der natürliche Abbau dauert mehrere 100 Jahre, die Meere sind voller Tüten und Flaschen und Mikro- und Nanoplastikpartikel reichern sich zunehmend in der Nahrungskette an. Lassen sich die Vorteile des Materials nutzen – und gleichzeitig die Nachteile vermeiden? Es gibt Plastik, das biologisch hergestellt wird und sich von selbst abbaut. Das klingt nach einer Lösung für eines der größten Probleme unserer Zeit. Aber vieles ist dabei noch ungewiss: Wie produzieren welche Mikroorganismen bioabbaubares Plastik, wie funktioniert der Abbau genau? Was bleibt übrig? Wie wirkt sich das wiederum aus? Und welche Rolle spielen Umweltbedingungen und der Klimawandel dabei? Das untersuchen Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Institutionen am Beispiel von Mulchfolien.

Eine besondere Art Dünger

Mulchfolien helfen in der Landwirtschaft, Unkraut zu unterdrücken und Feuchtigkeit im Boden zu halten. „Bisher sind sie meist aus Polyethylen, PE. Das verrottet schlecht“, Prof. Dr. Matthias Noll runzelt die Stirn: „also eigentlich gar nicht. Abbaustoffe von PE in Lebensmitteln wie Salat kann hormonell für viele Tiere wirksam sein.“ Bei Fröschen zum Beispiel verändert sich dadurch das Geschlecht. „Es gibt dann weniger Weibchen, also auch weniger Nachkommen.“ Noll leitet den Bachelor-Studiengang Bioanalytik an der Fakultät Angewandte Naturwissenschaften der Hochschule Coburg und zu seinen Schwerpunkten gehören unter anderem Umweltmikrobiologie und die Beständigkeit verschiedener Materialien gegenüber Mikroorganismen. „Bioabbaubare Mulchfolie verwandelt sich in einigen Wochen in eine Art Kohlenstoff-Dünger. Sie kann einfach untergeackert werden.“

Das Klima von übermorgen

Noll und sein Kollege Prof. Dr. Stefan Kalkhof, Leiter des Masterstudiengangs Bioanalytik an der Hochschule Coburg, sowie Forschungsteams der Hochschule Anhalt und des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) haben die von Pflanzen hergestellte Mulchfolie PBSA (Polybutylensuccinat-Co-Adipat) untersucht. „Wir haben dabei die Umweltbedingungen angeschaut“, erklärt Noll. Untersucht wurde, wie sich die Folie beim heutigen Klima abbaut – und wie in einem Klima der Zukunft. In Gewächshauskammern der Global Change Experimental Facility (GCEF) in Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) wurden dafür die Intensität der Sonnenstrahlung und der Temperaturdurchschnitt künstlich um 0,6 Grad erhöht, außerdem wurde ein Wechselspiel aus Trockenphasen und starker Feuchtigkeit simuliert. Zum Vergleich wurden Bodenproben mit und ohne Plastik analysiert. Ergebnis: Auch bei einem Klima, das im Jahr 2100 herrschen wird, wird der Abbau gut funktionieren.

Die Analysen

An der Hochschule Coburg wurden die Kunststoffe zuerst mit Hilfe eines Spektrometers analysiert. Dabei wird ein Laserstrahl durch die Probe geschickt. Die Moleküle reflektieren und brechen das Licht auf unterschiedliche Weise, das wird in einem Wellendiagramm dargestellt und so lässt sich die Molekülstruktur bestimmen, „Vergleicht man Proben, die eine Zeit in der Erde lagen mit neuen, kann man genau bestimmen, welche Abbauprodukte entstehen“, erklärt Noll.“ Um die Bestandteile quantitativ zu erfassen, wurde eine Gel-Permeations-Chromatographie (GPC) genutzt. Hauptbestandteil von Kunststoffen sind Polymere. Das aus dem griechischen stammende Wort bedeutet schlicht „viele Teile“ und das trifft es ziemlich genau: Es sind viele gleiche Moleküle, die mal durch längere, mal durch kürzere Ketten verbunden sind. Manche sind geradlinig, andere verzweigt. Bei der GPC werden die Verbindungen in einer Flüssigkeit aufgelöst. So kann die so genannte molare Masse der einzelnen Bestandteile bestimmt werden. „Plastik ist eigentlich eine einzige Masse, aber im Abbau entstehen viele kleine Metabolitmassen. Wir wollten genau wissen, welche das sind.“ Außerdem wurde noch eine dritte Messung an der Hochschule Coburg durchgeführt: Die Lipasen, eine spezielle Art von mikrobiellen Enzymen, greifen das bioabbaubare Plastik an, lösen die Kohlenstoffverbindungen und setzen die einzelnen Bestandteile frei. Prof. Noll nutzte einen Farbstoff, der sich bei Lipase-Aktivität bräunlich färbt. Durch den kolorimetrischen Test wurde die Aktivität der Enzyme festgestellt. „Je mehr Enzyme da sind, desto schneller geht der Abbau.“

Das Stickstoff-Problem

Außerdem stellte sich heraus, dass andere Parameter den Abbau des Plastiks wesentlich beschleunigen können: Stickstoff zum Beispiel, der als Pflanzennährstoff in Gülle und anderen Düngern in der Landwirtschaft häufig zum Einsatz kommt. In einer der Studien zeigte sich bei einer toxikologischen Prüfung allerdings ein gravierender Nebeneffekt: „Wir hatten Mungbohnensaat in Erde mit bioabbaubarer Mulchfolie angesät und das Pflanzenwachstum über die Zeit verfolgt. Wenn Stickstoff zugegeben wurde, war die Saat zu 97 Prozent von Fusarium solanii befallen.“ Der Schimmelpilz hilft zwar, den Kunststoff abzubauen, verursacht aber auch Pflanzenkrankheiten. Die Zusammenhänge sind komplex, vieles ist noch unerforscht.

Einsatzmöglichkeiten

Plastik, das biologisch abgebaut wird, gibt es bereits seit einigen Jahren zu kaufen: Im Baumarkt stehen Tomatenpflanzen in Töpfen aus Bioplastik und immer häufiger werden kompostierbare Müllbeutel angeboten. „Marktführer sind immer noch petroleumbasierte Kunststoffe, aber der Anteil bioabbaubarer Plastiksorten nimmt zu“, sagt Noll. Es gibt Sorten, die aus Getreide hergestellt werden, andere durch solche heterotrophen und auch phototrophen Mikroorganismen, mit denen sich die Forschungsgruppe in ihren Untersuchungen beschäftigt hat. „Alle bioabbaubaren Plastikverbindungen haben den Vorteil, dass sie zur CO2-Fixierung beitragen.“ Die „biodegradable biobased plastics“, wie sie international bezeichnet werden, helfen also beim Klimaschutz. Und auch wenn der Agrarbereich Thema ist, wurden für die Untersuchungen keine Proben aus der Landwirtschaft genutzt. Sondern aus der thailändischen Automobilindustrie. „Auch da geht es darum, den CO2-Abdruck zu reduzieren. Darüber hinaus sind die Autohersteller angehalten, recyclebare Komponenten zu produzieren“, erklärt Noll. Ein großes Thema für die Automobilindustrie. „Im Fahrzeuginnenraum, wo wenig Dreck ist, kann man gut auf bioabbaubares Plastik zurückgreifen.“

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Zu den Studien:
Bisher wurden von den Forscherinnen und Forschern der Hochschule Coburg, der Hochschule Anhalt und des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) drei Studien zu bioabbaubarem Plastik durchgeführt. Federführend Beteiligt waren neben der Hochschule Coburg Witoon Purahong und Carola Griehl.

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