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17. November '23

Bei der akademischen Jahrfeier der Hochschule Coburg wurden am Donnerstag Höhepunkte und besondere Leistungen gefeiert: zusammen mit Gästen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft – und mit der ehemaligen Bundesfamilienministerin und Bundestagsvizepräsidentin Renate Schmidt, die den Abend bei einem Podiumsgespräch bereicherte.

Wie schon oft in ihrem Leben geht Renate Schmidt nach vorne, zur Bühne. Den Blick hält sie konzentriert auf den Boden gerichtet, große, ovale Ohrringe glänzen silbern wie ihr Haar. Die paar Stufen hinauf lässt sie sich heute helfen. Im Dezember wird sie 80. Noch ein Schritt. In der Aula der Hochschule Coburg herrscht gespannte Stille. Vertreter:innen der Politik und Wirtschaft, Studierende, Professorinnen und Professoren und Mitarbeitende der Hochschule warten beim diesjährigen Dies academicus mit einer Mischung aus Neugier und Respekt darauf, was von der Polit-Rentnerin kommt. Sie setzt sich. Nimmt das Mikrofon in die Hand. Und dann legt sie los. Kraftvolle Stimme, starke Worte, perfekt gesetzte Pointen. Die „rote Renate“, wie die bayerische SPD-Politikerin getauft wurde, ist nach wie vor eine leidenschaftliche Rednerin.

„Ich bin in Coburg aufgewachsen“, sagt sie und erzählt von ihrem Onkel und der Tante, deren Eltern in Untersiemau eine Gurken- und Sauerkrautfabrik hatten, von der Großmutter, die aus Prag herzog und dass sie selbst als Baby mit ihrer Mutter aus dem hessischen Hanau kam. Coburg wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zum Familien-Stützpunkt. Schmidt erinnert sich ans Flanieren und Jungs-Schauen in der Spitalgasse und daran, wie sie einmal im Religionsunterricht am Gymnasium Alexandrinum aus dem Fenster stieg, weil sie eine Laufmasche hatte. „Nylonstrümpfe waren damals etwas ganz Besonderes. Ich wusste: Ich darf so nicht nach Hause kommen.“ Sie eilte in ein Geschäft, ließ die Strümpfe schnell reparieren, kletterte durchs Fenster zurück in den Unterricht. Schmidt lacht herzlich, rau: „Und hatte wieder eine Laufmasche!“ Das Auditorium hängt an ihren Lippen.

Schmidt berichtet, dass sie sich selbst am Gymnasium angemeldet hatte. Eigentlich war eine Karriere als Verkäuferin oder Sekretärin und vor allem Ehefrau und Mutter vorgesehen. Aber es verlief alles anders als gedacht. „Als ich 13 war, bin ich zu meinem großen Leidwesen zwangsweise umgezogen, weil mein Vater einen neuen Job in Fürth hatte.“ Immer sei sie neugierig gewesen. „Und das Ergebnis dieser Neugierde war, dass ich mit 17 schwanger geworden bin.“ Dass sie deshalb von der Schule flog und dass das auch mit ihrem späteren Engagement besonders für Familien- und Frauenpolitik zu tun hat, erfahren die Zuhörerinnen und Zuhörer beim Dies academicus der Hochschule später noch im Podiumsgespräch unter dem Motto „Gleichberechtigung im Wandel der Generationen“.  

Gleichberechtigung als großes Thema bei der akademischen Jahrfeier

Es geht an diesem Abend um Schmidts Tagesbetreuungsausbaugesetz und das Elterngeld, die Bonner Republik, Hausarbeit, Care-Arbeit, Frauenquoten und Gender-Pay-Gap, Führungspositionen, Sexismus, Vielfalt, Gesetze, Strukturen, Diverses, Zukunft. Die Ausstellung „Wie weiblich ist die Stadt“ zu Coburgs Ökonomie, kommunaler Verwaltung, Soziales und Gesundheit, Bildung, Kultur und Sicherheit rundet das Thema ab. Sie wurde entwickelt von Studierenden der Sozialen Arbeit in der Projektwerkstatt unter der Leitung von Prof. Dr. Franger-Huhle und Soz.-Päd. Beate Weigle und wird auch am diesjährigen Dies academicus gezeigt.

Bei der akademischen Jahrfeier blickt Prof. Dr. Stefan Gast, Präsident der Hochschule Coburg, auf 2023 als ein Jahr zurück, mit dem viel Neues begann: das Hochschulinnovationsgesetz und die Hochschulverträge, die Umsetzung des Strategiepapiers der Hochschule und das kooperative TTZ Oberfranken mit der TH Nürnberg als Teil der Regionalisierungsstrategie im Innovationsdreieck Coburg – Kronach – Lichtenfels, der Bau des Coburger CRAI (Center of Responisible Artificial Intelligence) und „GO! Gründungshub Oberfranken“ im TAO-Verbund, außerdem das Promotionszentrum.

Gast dankt den Partnerinnen und Partnern und er vergibt auch eine Ehrenmedaille: Damit würdigt die Hochschule Coburg die besonderen Verdienste und die Gestaltungskraft von Andrea Prehofer, die acht Jahre lang Mitglied des Hochschulrates und vier Jahre lang Vorsitzende war und satzungsbedingt ausscheiden muss. Die selbstständige Beraterin und Diplom-Mathematikerin ist per Video zugeschaltet. Sie dankt für die „tolle Zusammenarbeit“ und wünscht weiterhin Kreativität, Mut Zukunftsorientierung.

Podiumsgespräch dreier Generationen

Ein besonderer Programmpunkt an diesem Abend ist das Podiumsgespräch. Moderator Andreas Renner, Leiter des Referats Marketing und Kommunikation der Hochschule, holt dazu Prof. Dr. Nicole Hegel, Vizepräsidentin für Bildung und Diversity, und Antonia Strobl, Studentin der Sozialen Arbeit, auf die Bühne. „Wir haben hier drei Generationen Frauen und sprechen darüber, was sich getan hat.“ Hegel differenziert Gleichstellung und Gleichberechtigung, Privates und Gesellschaft und erlernte Rollen. Sie sagt: „Vielleicht ist es auch so, dass wir auch als Frauen konfliktbereiter sein müssen, um …“ Renate Schmidt nickt deutlich zustimmend, Hegel führt aus: „um die Dinge, die uns zustehen, noch einmal ganz anders einzufordern.“

Weil Mädchen auch heute noch oft eher als „lieb, nett, fürsorglich und hilfsbereit“ erzogen werden und Jungs eher dazu, „sich durchzusetzen“, fordert Antonia Strobl, dass schon im Kindergarten Geschlechterstereotype aufgebrochen werden. Sie berichtet von der His-or-Hers-Kampagne der Hochschule zu Geschlechterstereotypen und von heutigen Herausforderungen wie zum Beispiel Gewalt gegen Flinta-Personen, also gegen Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen. Mit Blick auf Renate Schmidt sagt die Studentin: „Ich verspüre eine große Dankbarkeit für alles, was erreicht wurde. Aber das Patriarchat ist noch nicht überwunden. Wir brauchen noch ganz viele mutige Menschen, die sich dem entgegenstellen.“

Mut ist ein Lebensthema von Renate Schmidt. Als schwangere 17-Jährige ist sie damals Programmiererin geworden und schrieb auf Lochkarten ihr erstes Programm für Expressbriefe für den Sperrgutversand bei Quelle. Sie wurde Betriebsrätin, Gewerkschafterin, Landtagsabgeordnete in Bayern, dann Abgeordnete im Bund, Bundestagsvizepräsidentin, Bundesfamilienministerin. „Ich habe soviel Angst gehabt in meinem Leben“, sagt sie. „Was glauben Sie, wieviel Angst ich bei meiner ersten Rede im Bundestag hatte … Magenkrämpfe!“ Die Schmidt weiß genau, wie eine gute Rede funktioniert: Wer keine Angst hat, habe auch keine Fantasie. „Mutige Menschen bestehen aus lauter überwundenen Ängsten“, sagt sie. „Trauen Sie sich etwas zu!“ Stürmischer Applaus im Audimax der Hochschule Coburg.

Würdigung für besondere Leistungen

Beim Dies academicus geht es traditionell auch um besondere Leistungen und Verdienste. Die Jury des CREAPOLIS-Awards für erfolgreichen Transfer hat gewählt: Präsident Gast verleiht 2023 den sechsten CREAPOLIS-Award an das Projekt „Wandel des Mobilitätsverhaltens und Dienstleistungen der Versicherungswirtschaft“ – kurz „DiVers“, an Prof. Dr. Mathias Wilde, Lukas Riedelbauch, Mitarbeiter der Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik, und die HUK-COBURG als Kooperationspartner, stellvertretend für das gesamte Projekt-Konsortium.

Prof. Dr. Martin Synold, Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, beglückwünscht Michael Steppert zu seiner abgeschlossenen Doktorarbeit in Kooperation mit der Uni der Bundeswehr in München. Betreut wurde die Arbeit an der Fakultät Maschinenbau von Prof. Dr. Philipp Epple. Synold freut sich auch über die Chancen, die das fachspezifische Promotionsrecht dem wissenschaftlichen Nachwuchs in Cobug eröffnet: Die Hochschule erhält ein eigenes Promotionszentrum „Analytics4Health“ und ein kooperatives zu „nachhaltige und intelligente Systeme“ kooperativ mit den Hochschulen Aschaffenburg und Würzburg/Schweinfurt.

Hochschul-Kanzler Dr. Matthias Kaiser ehrt die Fußballmannschaft der Hochschule, die mit viel Spaß und Teamgeist bei den 4. Fußballmeisterschaften der bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften den ersten Platz abgeräumt hat.

Neue Professorinnen und Professoren

Moderator Andreas Renner stellt kurz die Professorinnen und Professoren vor, die in diesem Jahr neu an die Hochschule gekommen sind: Prof. Dr. Carolin Helbig, Prof. Gemma Koppen, Prof. Dr. Veit Müller, Prof. Dr. Roman Rischke, Prof. Dr. Michael Schaub, Prof. Dr. Stefan Simm und Prof. Dr. Johannes Stübinger. Vom Landestheater Coburg werden Sie mit Eintrittskarten begrüßt.

Renner weist außerdem darauf hin, dass der gemeinnützige Hochschulverein ideell und materiell überall dort unterstützt, wo die Hochschule als staatliche Einrichtung keine Unterstützung leisten kann. Mehr Informationen dazu gibt es hier. https://hochschulverein-coburg.de/

Musikalisch begleitet wird der Abend vom Hochschulchor Die „Klangfänger“ unter Leitung von Jochen Kästner und der Hochschul Big Band unter Leitung von Ralf Probst.

Die Studierendenvertretung

Als Vertreterin und Vertreter des Studentischen Parlaments lassen Eva Seelinger und Jan Lützelberger das Jahr aus Sicht der Studierendenvertretung Revue passieren. Vom Austausch mit der Hochschulleitung und den Fakultäten über Neuerungen wie dem „WC für alle“, dem Tauschegal und dem Wasserspender im ITMZ bis zu den beliebten SV-Veranstaltungen. Und das nächste größere Event ist längst auch eine Tradition, auf die sich schon viele freuen: In zwei Wochen startet der lebendige Adventskalender.

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