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21. Juli '17

Vor 56 Jahren kam Rajendra ‚Raj‘ Kumar nach Coburg. Ohne ein Wort Deutsch zu können. Sechs Jahre später schließt er sein Studium am ehemaligen Polytechnikum ab. Jetzt, 50 Jahre nach seinem Abschluss, hat er seine Alma Mater wieder besucht.
Auf den Aufruf in der Zeitung hat sich leider niemand gemeldet. Ein paar Monate vor seinem Besuch in Coburg hat Raj Kumar versucht, ehemalige Kommilitonen wieder zu finden. 25 Schüler waren damals in seinem A-Kurs im Fach Maschinenbau. Ein paar von ihnen wieder zu sehen, hätte den 77-Jährigen gefreut. 50 Jahre ist es her, dass er sein Studium in Coburg abgeschlossen hat. Damals stand er vor einer schweren Entscheidung: in Deutschland bleiben oder wieder nach Indien gehen? „Ich hatte ein Stipendium, da hab ich so zwei-, dreihundert Mark im Monat bekommen. Ich musste aber unterschreiben, dass ich nach dem Studium in meine Heimat zurückkehre“, erzählt Kumar. Doch in Indien weiß niemand etwas mit dem deutschen Abschluss anzufangen. Seine Bewerbungen werden abgelehnt und so nimmt er schließlich in Deutschland eine Stelle als Ingenieur an. Als Kumar etwas später die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, muss er sein Stipendium sogar zurückzahlen.
Seine alte Hochschule erkennt der 77-Jährige heute kaum wieder. So viel hat sich hier verändert. Vizepräsidentin Prof. Dr. Jutta Michel lässt ihn einen Blick in die Aula werfen. Ganz leise, denn dort schreiben Studierende gerade eine Prüfung. Die Aula gab es auch schon, als Kumar hier studiert hat. Im Oktober ‘63 wurde das Staatliche Polytechnikum als Ingenieurschule für Bau- und Maschinenbauwesen offiziell eröffnet. Erst wenige Jahre zuvor war die neue Schule auf dem Berg in der Friedrich-Streib-Straße gebaut worden. Raj Kumar erinnert sich: „Die Schulleitung befürchtete, dass kein Nachwuchs zum Studieren kommen würde, also starteten sie einen Aufruf an Coburger Firmen, ihre jungen Mitarbeiter zu schicken.“ Der Inder arbeitet damals bei der Maschinenfabrik Gustav Brückner in Neuses als technischer Zeichner. Sein Chef ermöglicht ihm das Studium.
An seine Studienzeit hat Kumar viele gute Erinnerungen. Geblieben ist davon auch der Kontakt zu Kommilitone Johannes Cordes. Der begleitet ihn spontan bei seinem Besuch an der Hochschule. Christian Erkenbrecher, Leiter des Career Service, hat ein kleines Programm organisiert. Die beiden Alumni sind beeindruckt, wie sich die Hochschule gewandelt hat. Angefangen bei den Studierendenzahlen bis zum Service, den es heute gibt, z.B. Kurse und Angebote zu Gesundheit, Fitness und Entspannung. „Das finde ich sehr wichtig“, sagt Kumar. „Zu unserer Zeit war es noch chic zu Rauchen. Da standen bei Besprechungen Zigarettenspender auf dem Tisch und jeder konnte sich bedienen.“
Raj Kumar hat nach seinem Studium erst in Nordrhein-Westfalen gelebt, später im Rhein-Main-Gebiet. Zuletzt hat er bei Rexroth (heute: Bosch) in Lohr am Main gearbeitet. Seit 16 Jahren ist Kumar jetzt im Ruhestand. Den genießt er im Sommer und Herbst in Lohr, im Winter und Frühjahr lebt er in Spanien.
Aus seiner Studienzeit hat er auch die Abschlusszeitung von 1967 mitgebracht. Damals parkten noch Autos mitten auf dem Campus. In der Mitte des Heftes ist ein kleines Porträt von Kumar. „‘Radi‘ war stets hart im Nehmen von Gehässigkeiten von den verschiedenen Seiten. Trotz vieler erschwerender Umstände kämpfte er – wie einer von uns – tapfer bis zum Schluss.“, steht da. Und: „Im Rahmen der Entwicklungshilfe möchte er als Geschenk gern neben einigen gutgenährten Rindern auch eine Brauerei mit nach Hause nehmen.“

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