20. November '24
von Natalie Schalk
Es gibt Möglichkeiten, Robotern beizubringen, in industriellen Produktionszellen flexibel miteinander zu arbeiten. Das Projekt KaliBot erreicht dabei aber eine ganz neue Präzision. Prof. Dr. Thorsten Uphues vom ISAT der Hochschule Coburg und Claus Schäfer vom Automobilzulieferer Brose in Coburg wurden mit ihren Teams dafür jetzt mit dem CREAPOLIS-Award ausgezeichnet. Diesen Preis vergibt die Hochschule Coburg einmal jährlich für herausragende Transfer-Projekte.
Einer hält das Bauteil, einer setzt eine Komponente darauf, der dritte kommt dazu und schraubt beides vorsichtig zusammen: Was für Menschen wirklich einfach ist, können Roboter gar nicht gut. Sie fühlen das Gewinde nicht, sehen nicht, was der andere tut – oder wo er überhaupt gerade ist. Roboter haben keine Sinne. Aber sie haben Sensoren: Das Institut für Sensor- und Aktortechnik (ISAT) der Hochschule Coburg hilft Maschinen in unterschiedlichen Bereichen dabei, ihre Umgebung wahrzunehmen. Einer dieser Bereiche sind Roboter. „Klassisch arbeitet einer von ihnen an einem Werkstück, das fest aufgespannt und perfekt positioniert ist: Einzeln sind sie sehr präzise“, erklärt Prof. Dr. Thorsten Uphues aus dem ISAT-Leitungsteam. Moderne Roboterarbeit in der Industrie ist aber daran angelehnt, wie Menschen zusammenarbeiten: flexibel, miteinander. Die Präzision von mehreren Robotern bei so einer „flexiblen Fertigung“ liegt heute im Millimeterbereich, manchmal auch im Bereich eines halben Millimeters. Das, was das ISAT-Team seit März 2022 gemeinsam mit Kooperationspartner Brose entwickelt hat, ermöglicht eine Genauigkeit bis auf 80 Mikrometer. Das ist halb so viel wie ein menschliches Haar dick ist – also viel genauer als Menschen arbeiten, bei allen beteiligten Robotern absolut gleich und außerdem mobil einsetzbar.
Zwei Expertisen, ein Team
KaliBot heißt das Verbund-Projekt zur „Entwicklung eines mobilen Mess-Systems zur Absolut-Kalibrierung von robotergestützten Fertigungszellen in der flexiblen und additiven Fertigung“, das vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie im Rahmen des Programms BayVFP für drei Jahre gefördert wird. Bereits jetzt bewerten es alle Beteiligten als großen Erfolg: „Der im Rahmen des Forschungsprojektes entwickelte Prototyp wird uns in Zukunft die Kalibrierung von Multi-Roboter-Anlagen deutlich erleichtern“, sagt Claus Schäfer, der als Technologieverantwortlicher Automatisierungstechnik bei Brose für das Projekt verantwortlich ist. „In der Produktionstechnik sind wir bereits seit geraumer Zeit mit einer deutlich gestiegenen Variantenvielfalt und einer hohen Volatilität der Abrufmengen konfrontiert. Die Herausforderung besteht daher darin, unsere Produktionsanlagen flexibler und skalierbarer zu gestalten, um besser auf Änderungen am Produkt und an den Abrufzahlen reagieren zu können. Ein möglicher Ansatz hierfür ist es, mehrere Roboter gemeinsam an einem Produkt arbeiten zu lassen, ohne dass eine spezielle Vorrichtung erforderlich ist.“
Prof. Dr. Thorsten Uphues von der Fakultät Angewandte Naturwissenschaften und Gesundheit der Hochschule Coburg hebt die „außergewöhnliche Zusammenarbeit“ hervor: „In diesem Projekt war es nicht so, dass jeder seinen Satz von Aufgaben erfüllt hat, sondern wir haben ein großes, gemeinsames Team mit den beiden Expertisen gebildet: die Roboter- und Konstruktions-Expertise auf der Seite von Brose und die Expertise zu Sensorik und KI seitens der Hochschule.“ Kurze Wege, eine spannende Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft in der Region und Menschen, die sich gut verstehen.
Dieses Team ist ein echter Glücksgriff.
Prof. Dr. Thorsten Uphues
Dieses außergewöhnliche Team und die in vieler Hinsicht besondere und erfolgreiche Zusammenarbeit wurde jetzt mit dem CREAPOLIS-Award ausgezeichnet. Im Rahmen des Dies academicus verlieh Hochschul-Präsident Prof. Dr. Stefan Gast die Auszeichnung stellvertretend für das Team an die Projektleiter Uphues und Schäfer. „Der CREAPOLIS-Award ehrt Personen und Projekte der Hochschule, die sich neben Lehre und Forschung besonders um Transferaktivitäten verdient gemacht haben“, erklärt Gast. Der Transfer zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ist neben Lehre und Forschung fest in der Hochschule verankert. „Und da Transfer nicht allein, sondern immer nur gemeinsam funktioniert, wird der CREAPOLIS-Award als Tandem-Preis verliehen, also an Kolleginnen und Kollegen unserer Hochschule und deren Kooperationspartner.“
Präsident Gast hatte KaliBot unter den eingereichten Projekten gemeinsam mit einer dreiköpfigen Jury ausgewählt: Sylvia Endres, Geschäftsführerin des Coburger Designforum Oberfranken, Frank Ebert, Geschäftsführer von Oberfranken Offensiv und Siegmar Schnabel, Hautgeschäftsführer der IHK zu Coburg, überzeugte der innovative Ansatz von KaliBot, weil er zu Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit der Region beiträgt. „Das Transfer-Projekt konnte durch den direkten Wirtschaftsbezug, die Regionalität und den unmittelbar generierten Nutzen überzeugen“, sagt Schnabel. „ISAT Mal lokales Unternehmen Mal Hochschultransferaktivitäten ist gleich Mehrwert hoch drei!“
So geht es mit KaliBot weiter
Durch die präzise Kalibrierung der Roboter können Ausfallzeiten reduziert, Produktionsprozesse beschleunigt, Fehler minimiert, Ressourcen geschont und Kosten gesenkt werden. Verliert eine Produktionszelle bei Brose ihre Genauigkeit, können die Roboter dank Kalibot künftig sehr genau und relativ leicht wieder justiert werden. In der letzten Projektphase bis Ende Februar 2025 wird noch eine grafische Benutzeroberfläche (GUI) entwickelt, damit alle, die mit den Robotern arbeiten, das mobile System nutzen können. So komplex die algorithmischen Optimierungen im Hintergrund sind – der Einsatz in der Praxis soll einfach sein: Eine Laserquelle, ein Strahlteiler und eine Photodiode als Mess-Sensor stehen jeweils auf einem Alu-Rohr. Jeder Roboterkopf hat eine kleine Lochblende. Auf der anderen Seite misst die Photodiode das Licht. Liegt die Lochblende genau im Laserstrahl, ist der Roboter auf die richtige Position kalibriert. „Die Roboter haben selbst zwar unterschiedliche Koordinaten, aber sie kennen alle den Weg des Laserstrahls“, sagt Uphues. „Auf gewisse Weise machen wir die Roboter also in diesem Moment sehend.“