9. Mai '23
Wirtschaft und Gesellschaft sollen das Wissen und die Technologien aus den bayerischen Hochschulen schnell und reibungslos nutzen können. Der Freistaat fördert den Austausch in Technologietransferzentren (TTZ) – und jetzt bekommt auch Oberfranken eines: Das „Kooperative TTZ Oberfranken Digitale Intelligenz“ wird an die Hochschule Coburg und an die Technische Hochschule Nürnberg angeschlossen sein und an den Standorten Lichtenfels und Kronach aufgebaut. Knapp acht Millionen Euro fließen damit in die Region.
Mit dem Ausbau solcher Zentren will der Freistaat im Rahmen des Programms „Hightech Transfer Bayern“ die Innovationskraft des Mittelstands im ländlichen Raum stärken. Bisher gibt es 30 TTZ, elf neue wurden dieses Jahr vom Ministerrat beschlossen. Der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume, hat jetzt bekannt gegeben, dass eines an die Standorte Lichtenfels und Kronach kommt. Die Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg und die Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (Ohm) werden hier beim Thema digitale Intelligenz kooperieren: Die Hochschule Coburg legt am Standort Lichtenfels einen Schwerpunkt auf digitale Kompetenz im Produktlebenszyklus. Die Ohm fokussiert sich in Kronach auf die angewandte Analyse und Modellierung von Daten. Mit Unterstützung der Städte und Landkreise Lichtenfels und Kronach werden die Aktivitäten in Zusammenarbeit mit dem Forschungs- und Anwendungszentrum für Zukunftstechnologien (FADZ) Lichtenfels und der Lucas-Cranach-Campus (LCC) Stiftung Kronach stattfinden.
Standorte mit viel Potenzial
Der Lichtenfelser Unternehmer Frank Carsten Herzog, selbst Alumnus der Hochschule Coburg, ist Initiator des FADZ-Projektes und Erster Vorsitzender des FADZ Wirtschaftsverbandes. Er sagt: „Oberfranken entwickelt aus der Zukunftstechnologie Additive Fertigung konsequent Perspektiven für die regionale Entwicklung. Die Unternehmen des FADZ Wirtschaftsverbands treiben diesen Wandel mit an und haben ohne zu zögern breite Unterstützung für ein Technologietransferzentrum in Lichtenfels zugesagt.“ Dies sei ein Beispiel für das fruchtbare Zusammenspiel aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und bürgerlichem Engagement. „Der Hochschule Coburg gebührt großer Dank für die Initiative.“
Hans Rebhan ist IHK-Vizepräsident und Vorstand der Lucas-Cranach-Campus Stiftung. Er treibt den Aufbau des LCC in Kronach als übergreifende Bildungsplattform voran. „Das Thema angewandte Forschung und Weiterbildung im Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz betreiben wir mit Unterstützung der Technischen Hochschule Nürnberg bereits seit 2021 voran.“ Mit der Etablierung des TTZs an den beiden Standorten würden diese Aktivitäten auf eine neue Stufe gehoben: „Sowohl für die Firmen vor Ort als auch für den Hochschulstandort ist das ein Meilenstein in unserer Entwicklung“.
Digitale Intelligenz: das Zukunftsthema ist überall
Prof. Dr. Stefan Gast, Präsident der Hochschule Coburg, sieht große Chancen darin, den Transfer zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft weiter auszubauen: „Wir haben hier wunderbare, innovative Partner:innen: Für uns als Hochschule bietet das TTZ die Möglichkeit, diese etablierte Zusammenarbeit zu intensivieren.“ Der Schwerpunkt digitale Intelligenz ergänze außerdem vorhandene und wachsende Kompetenzen der Hochschule Coburg auf hervorragende Weise: „In Coburg entsteht ja am Schlachthof- und Güterbahnhofsareal gerade unser Center for Responsible Artificial Intelligence (CRAI).“
Ohm-Präsident Prof. Dr. Niels Oberbeck sagt: „Das ,TTZ Digitale Intelligenz‘ ist für uns ein wichtiger Meilenstein am Standort Kronach. Es ermöglicht uns, die großartigen Möglichkeiten und aktuellen Forschungserkenntnisse der KI in einem lebendigen Netzwerk auch kleinen und mittleren Unternehmen zugänglich zu machen.“ Für die Hochschule Coburg hat das Thema digitale Intelligenz mit dem Master-Studiengang Autonomes Fahren in Kronach ebenfalls große Bedeutung: Ab dem Wintersemester wird der Studiengang international und in englischer Sprache angeboten.
„Vom Ausbau der KI-Aktivitäten durch die gemeinsame Initiative mit der Technischen Hochschule Nürnberg wird die Region insgesamt stark profitieren. Das TTZ stärkt das gesamte Innovationsdreieck Coburg-Kronach-Lichtenfels“, betont Gast. „Das Projekt wurde wirklich sehr zügig bewilligt – dafür sind wir sehr dankbar.“ Die schnelle Zusage des bayerischen Wissenschaftsministeriums sei ein sehr positives Signal für Oberfranken. Bis zu knapp acht Millionen Euro werden so in die Region fließen.
Freude in der Region
Der Landtagsabgeordnete für den Stimmkreis Kronach-Lichtenfels, Jürgen Baumgärtner, erklärt: „Die Etablierung des TTZs an den beiden Standorten, kooperativ aufgebaut mit den beiden Hochschulen Nürnberg und Coburg nutzt Synergien und setzt das Innovationsdreieck Coburg-Kronach-Lichtenfels auch im Bereich der Forschung und Entwicklung in den Fokus.“
Der Kronacher Landrat Klaus Löffler ist dankbar für Baumgärtners Engagement und freut sich, dass der Wissenschaftsstandort Kronach gestärkt wird. „Das TTZ knüpft an die bereits erfolgten Weichenstellungen an unserem LCC an und wird durch seine wissenschaftliche Ausrichtung einen wesentlichen Beitrag liefern, unseren Wirtschaftsstandort zu stärken.“
In Lichtenfels ist die Freude über die Nachricht aus München ebenfalls groß: Erster Bürgermeister Andreas Hügerich erklärt, das TTZ sei ein bedeutender Beitrag für den noch jungen Standort der Hochschule Coburg in Lichtenfels. „In enger Zusammenarbeit mit unserem FADZ und den daran Beteiligten kann das TTZ zudem den digitalen Wandel in vielen Wirtschaftszweigen beschleunigen“, ist Hügerich überzeugt. Dem Landrat des Landkreises Lichtenfels Christian Meißner zufolge ist der richtige Weg, mit der Forschung in die Fläche und damit auch in den ländlichen Raum zu gehen. „Diese Entscheidung wird das Innovationsdreieck Coburg – Kronach – Lichtenfels stärken und einen wichtigen Beitrag leisten. Gemeinsam mit den Hochschulen und den Unternehmen werden wir hier wichtige Impulse setzen und die Region dadurch wirtschaftlich aber auch wissenschaftlich stärken.“
Kommunal wird das TTZ unter anderem dadurch unterstützt, dass Räumlichkeiten in Lichtenfels und Kronach zur Verfügung gestellt werden. Aber auch die Bundestagsabgeordneten der Region sind sehr nah am Thema dran. Der Coburger Dr. Jonas Geissler ist der Auffassung: „Die Region mit ihrem innovationsoffenen Mittelstand ist genau der richtige Standort für ein KI-Technologietransferzentrum. Industrie, Handel und Handwerk werden von dem Zentrum profitieren.“ Die Lichtenfelser Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner (Wahlkreis Kulmbach) sieht die Chance auf eine „nachhaltige Steigerung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort sowie der gesamten Region Oberfranken.“ Damit bekomme lebenslanges Lernen im Innovationsdreieck Coburg-Kronach-Lichtenfels endlich eine Heimat.
Ein Booster für Technologietransfer
Dr. Markus Neufeld leitet das Referat Transfer und Entrepreneurship der Hochschule Coburg und ist überzeugt vom Konzept: „Weil wir fachbezogen zusammenarbeiten, wird das TTZ Oberfranken sowohl für die Hochschulen als auch für die Region als Booster für Technologietransfer wirken.“ Prof. Dr. Alexander Rost, Dekan der Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik der Hochschule Coburg, betont ebenfalls die großen Chancen für die Region: „Mit dem FADZ in Lichtenfels und dem IZK in Kronach gemeinsam das TTZ aufzubauen, wird das Innovationsdreieck Coburg – Kronach – Lichtenfels noch stärker machen. Wir freuen uns sehr darauf, neue Technologien in die Partnerunternehmen zu bringen oder mit und für sie zu entwickeln.“
Für die Produktionsstandorte der Unternehmen in dieser Region ist entscheidend, wie digitale und KI-basierte Technologien in Entwicklung und Produktion genutzt werden können.
In der Praxis geht es um den Daten-Schatz im Unternehmen
Die Hochschule Coburg wird gezielte Impulse für verschiedene Phasen des Produktlebenszyklus geben. Dabei geht es zum einen um Diversifizierung und Individualisierung der Produktion, beispielsweise durch additive Fertigungsverfahren (industrieller 3D-Druck), die zahlreiche Unternehmen der Region nutzen. Zum anderen können KI-basierte Automatisierungsverfahren in der Massenproduktion genutzt werden, so dass bei Verfahren wie dem Spritzguss Wettbewerbsvorteile entstehen.
Mit Hilfe von KI-Lernverfahren lässt sich zum Beispiel in der Produktion eine vorausschauende Wartung der Maschinen durchführen. „Das vermeidet Produktionsstillstände – und damit Kosten“, erklärt Prof. Dr. Jens Grubert. Er hat an der Hochschule Coburg die Forschungsprofessur für Mensch-Maschine-Interaktion im Internet der Dinge inne und wird im TTZ in Lichtenfels die wissenschaftliche Leitung übernehmen. „Anwendungsbezogene Forschung ist ein großes Thema. Unternehmen können mit Fragen aus der betrieblichen Praxis auf uns zukommen. Wir schlagen auch Forschungsthemen vor, um gemeinsam voranzukommen.“ Außerdem gebe es spannende technologische Lösungen, die bereits vorhanden sind. „Wenn ein kleines oder mittelständisches Unternehmen eine fundierte Anwendungsberatung erhält, kann es dadurch effizienter arbeiten.“
Text, Bild, Video, Code und sogar 3D-Modelle: So genannte generative künstliche Intelligenz kann auf Basis weniger Eingaben wie kurzen Texten neue komplexe Medien erschaffen. „In Industrie, Handel und Handwerk gibt es wirklich viele Einsatzmöglichkeiten: Kundensupport automatisieren, Dokumente zusammenfassen, betriebliche Abläufe optimieren. Auch im Produktdesign kann sehr gut mit Algorithmen der generativen KI gearbeitet werden, um unterschiedliche Gestaltungsvarianten zu entwickeln.“
In Kronach wird seit 2021 durch die Technische Hochschule Nürnberg der Einsatz der KI in kleinen und mittelständischen Unternehmen erprobt. Prof Dr. Tobias Bocklet, Forschungsprofessor für Maschinelles Lernen, initiierte dieses Projekt und wird seitens der Ohm die wissenschaftliche Leitung am TTZ-Standort Kronach übernehmen. „Mit den Vorerfahrungen, die wir bisher mit gemeinsamen Projekten mit den Firmen vor Ort sammeln konnten, gibt es in Kronach ideale Voraussetzungen, KI in die Firmenlandschaft zu integrierten. KI kann dabei in Industrie und Handwerk als auch in der Gesellschaft eingesetzt werden und beispielsweise zur Nachhaltigkeit beitragen.“ Die nötigen Informationen und Daten sind bei den Firmen ohnehin oft schon vorhanden, erklärt Bocklet. Das sieht Professor Grubert aus Coburg genauso: „Da liegt ein großer Daten-Schatz in vielen Unternehmen“, sagt er. Diesen zu heben, wird eines der Ziele des TTZ Oberfranken Digitale Intelligenz.