10. September '20
Nach dem Corona-Semester im Sommer kehren manche ausländische Studierende erst jetzt an die Hochschule Coburg zurück. Wie sie in der Zwischenzeit Deutsch gelernt haben.
In den vergangenen Monaten saßen viele Studierende zu Hause und nahmen an Online-Kursen teil. Bei Vivek Surendranath war das anders. Er saß auf seinem Zuhause. Mit dem Handy. Auf dem Dach. „Da hatte ich Netz“, erzählt der 29-Jährige grinsend. Er kommt aus Kerala im Südwesten Indiens und hat im Wintersemester 2019 mit dem Studium Analytical Instruments, Measurement and Sensor Technology (AIMS) an der Hochschule Coburg begonnen. In den Semesterferien flog er nach Indien. Aber dann konnte er nicht mehr zurück nach Deutschland. „Wegen Corona wurden ab 15. März alle internationalen Flüge gestoppt.“ Also lernte er 10.000 Kilometer von der Hochschule Coburg entfernt, auf Deutsch über das Wetter zu sprechen und auf eine Wohnungsanzeige zu antworten. Inzwischen ist er zurück in Coburg und sucht einen Platz für sein Praxisprojekt im Wintersemester.
Aus der ganzen Welt kommen Studierende für die englischsprachigen Studiengänge AIMS und Financial Management an die Hochschule Coburg. Sie können hier nicht nur ihren Master machen, sondern auch Deutsch lernen. „Wegen Corona standen wir vor der Herausforderung, wie wir den Unterricht in Deutsch als Fremdsprache für die internationalen Studiengänge aufrechterhalten können“, sagt Dr. Regina Graßmann. Sie ist am Wissenschafts- und Kulturzentrum der Hochschule Coburg für die Organisation der Deutschkurse zuständig. „Aber die Kommunikation und das Lehren und Lernen mit digitalen Medien sind im Sprachunterricht ja nicht neu.“
Surendranath lernte im Online-Deutschkurs des Dozentinnen-Teams Katarzyna Lisiewicz und Kathrin von Erdmann, und er übte sein neues Sprachwissen im Tutorium bei Matthias Gumbart. Der kommt aus Oberbayern und hat auch vor Corona schon online Sprache gelehrt: „Ich gebe seit Jahren Nachhilfe in Englisch. Als ich für mein BWL-Studium nach Coburg gezogen bin, habe ich mit der Nachhilfe in Dachau weitergemacht – per Videokonferenz.“ Diese Erfahrungen übernahm er in sein Tutorium an der Hochschule. Passend zum Lehrstoff entwickelte Gumbart Übungen, suchte zum Beispiel Wohnungsinserate aus dem Netz. Die Studierenden sollten schriftlich auf die Anzeigen antworten. „Ich zeige jemanden an. Ich schreibe eine Wohnungsanzeige. Dieser Unterschied musste erst einmal geklärt werden.“ Ohne selbst im Land zu leben, konnten die ausländischen Studierenden so die deutsche Sprache praktisch üben.
Und das funktionierte erstaunlich gut. Regina Graßmann stellt fest, dass die Noten für Deutsch als Fremdsprache im Sommersemester im Schnitt sogar ein bisschen besser waren als sonst. „Die Sprechfähigkeit hat zugenommen. Es ist nicht für jeden leicht, in einem Raum mit vielen Fremden etwas auf Deutsch zu sagen. Im Videomeeting ist das einfacher.“ Die Hemmschwelle ist niedriger. Zwar fehlt der direkte Kontakt untereinander, aber die technischen Lösungen haben auch Vorteile: „Kopfhörer sind gut für das Hörverstehen.“ Die Aussprache dringt so klar und deutlich ans Ohr – wenn im Hintergrund nicht gerade ein indisches Mofa hupt. „Indische Straßen sind so laut!“, sagt Gumbart. Er bat die Studierenden in aller Welt für die Videokonferenzen in ein Haus oder zumindest den Garten zu gehen.
Vivek Surendranath saß manchmal auch mit seinem Handy am Flussufer. „Der Unterricht funktionierte gut“, findet er. „Das Beste war, dass ich in einem Semester sogar zwei Kurse belegen konnte.“ Er lernte gleichzeitig Niveau A 1.2 und A 2.1. Aber wenn er nirgendwo Netz fand? Saß er eben auf dem Dach. Er stellte sein Mikrofon aus und hörte einfach zu.