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24. Mai '24

von Cindy Dötschel

Um die Versorgung der Pflegebedürftigen in Zukunft zu sichern, bedarf es neuer Modelle und Ansätze. Darum ging es beim Themenabend „Pflegefall – was nun? Probleme und Lösungen.

Der 63-jährige Helmut ist vor Kurzem in den Ruhestand gegangen. Seitdem geht er zweimal die Woche gegen eine kleine Aufwandsentschädigung für seine pflegebedürftige Nachbarin Elisabeth einkaufen. Außerdem mäht er ihren Rasen. Elisabeth ist 80 Jahre alt und gehbehindert, sie ist geistig fit und lebt in ihrer eigenen Wohnung im Erdgeschoss. Der ambulante Pflegedienst kommt zweimal am Tag und ihre Tochter hilft ihr mit dem Haushalt. Weil Elisabeth unterstützt wird, wird sie noch einige Jahre in ihren eigenen vier Wänden leben können. Der Kontakt zwischen Helmut und Elisabeth hat sich über das Pflegemodell „Pflege-Coop!“ ergeben, bei dem sich Helmut angemeldet hat. Von der Initiative profitieren alle drei: Elisabeth und ihre Tochter werden entlastet, Helmut hat eine ehrenamtliche Tätigkeit gefunden, bei der er wertgeschätzt wird und direkt helfen kann.

Hilfe für Pflegebedürftige, Entlastung für Angehörige

Das vorausgehend Beispiel beschreibt eine Situation, die dann entstehen kann, wenn die „passenden“ Leute zusammengebracht werden. Das Projekt „Pflege-Coop!“ wird unter Beteiligung der Hochschule Coburg entwickelt. Verantwortlich dafür ist Prof. Dr. Eberhard Nöfer, der an der Fakultät Angewandte Naturwissenschaften und Gesundheit lehrt und forscht. Durch das neue Modell, das auf vorhandenen Strukturen und finanziellen Mitteln aufbaut, sollen Angehörige und Pflegekräfte entlastet und Pflegebedürftige besser versorgt werden. Im Rahmen des Themenabends „Pflegefall – was nun? Probleme und Lösungen“ hat der Wissenschaftler das Projekt in seinem Vortrag „Wege aus der Pflegefalle“ vorgestellt. „Der Druck auf Pflegebedürftige und deren Angehörige steigt. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, die Versorgung der Pflegebedürftigen in Deutschland sicherzustellen“, sagte er in seinem Vortrag. Man wolle das System ändern und der Pflege personenzentriert Komplexleistungen im Rahmen von kommunalintegrierten Bürgergenossenschaften und Vereinen zugrunde legen.

Situation Pflegender Angehöriger

Laut Statistik werden über 84 Prozent der in Pflegegraden erfassten 5 Millionen Pflegebedürftigen ambulant von ihren Angehörigen gepflegt und versorgt, 51 Prozent davon ausschließlich. „Die Zahl bezieht sich nur auf die Personen, die eine Pflegestufe oder einen Pflegegrad haben. Anders als ,Pflegepersonen‘ sind ,pflegende Angehörige“ nicht erfasst“, sagt Brigitte Bührlen, Vorsitzende von Wir! Stiftung pflegender Angehöriger. Dabei würden pro Jahr rund fünf Milliarden Arbeitsstunden in der Pflege von pflegenden Angehörigen erbracht, was umgerechnet 3,2 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen entspricht. „Es heißt immer, die Angehörigenpflege sei die Säule des Systems – deshalb muss sich auch etwas ändern“, appellierte Brigitte Bührlen. Sie ist der Meinung, dass die Angehörigenpflege eine rechtliche Verankerung mit Status- und Tätigkeitsbeschreibung benötigt. Außerdem brauche die Pflegeversicherung eine Reform, die auch einen finanziellen Ausgleich vorsieht. „Für diejenigen, die ein Kind betreuen, gibt es mittlerweile einen finanziellen Ausgleich – bei der Pflege ist das noch schwierig, da ist Altersarmut vorprogrammiert.“

Pflege als Regionales Handlungsfeld

Zum Abschluss des Themenabends gab Vanessa Kaiser von der Gesundheitsregionplus Coburger Land einen Überblick über die Versorgungssituation in der Region und definierte drei Handlungsfelder. Mit stationären Pflegeangeboten sei man generell gut aufgestellt. Was die ambulanten Angebote betrifft, sei die Lage in einem Teil des Landkreises etwas angespannter. „Bis 2041 wird sich das Potenzial Pflegender, die nicht aus der Professionalität kommen, sinken. Die Zunahme der älteren Bevölkerung geht mit einer gleichzeitigen Abnahme der jüngeren Bevölkerung vor allem im Landkreis einher“, prognostiziert die Expertin. Weil Pflege immer regional ist, müsse man schauen, wie die Entwicklungen vor Ort seien, wo Bedarfe lägen und wo angesetzt werden könne. Um dieses Ziel zu erreichen, fand Anfang des Jahres die erste Pflegekonferenz von Stadt und Landkreis Coburg statt, bei der drei Handlungsschwerpunkte definiert wurden: Fachkräftesicherung, Stärkung der häuslichen Pflege und neue Versorgungsmodelle, die die Abstimmung zwischen Diensten erleichtern und sektorenübergreifend angelegt sind. „Wir müssen an der Vernetzung arbeiten, neue Berufsbilder entwickeln und Kompetenzen verschieben.“

Weitere Termine 2024

Der Themenabend „Pflegefall – was nun? Probleme und Lösungen“ fand im Rahmen der Reihe „Gesundheit! Wissen für alle“ statt. Die Reihe wird durch das Projekt CREAPOLIS + design im Rahmen der Bund-Länder-Initiative Innovative Hochschule unterstützt. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis geben Einblicke in die aktuelle Forschung und Entwicklung. Außerdem können sich interessierte Bürger und Bürgerinnen, Akteure aus der Region und Forschende austauschen und vernetzen. In diesem Jahr finden noch zwei Themenabende statt. Am 25. Juni 2024 geht es um das Thema „Gesund schwanger – Gemeinsam stark“ und am 12. November 2024 steht das Thema „KI zur Unterstützung in der individualisierten Medizin“ im Fokus. Im nächsten Jahr bildet der Themenabend „Leben mit Nierenerkrankungen. Prävention, Behandlung, Neues aus der Forschung“ am 28. Januar 2025 den Auftakt der Reihe.  „Gesundheit analysieren & fördern“ ist einer der Forschungsschwerpunkte der Hochschule Coburg, die im Gesundheitsbereich gut vernetzt ist und auf vielfältige Kooperationen blicken kann, von denen das Veranstaltungsformat profitiert.

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