Eine etwas andere Sportgeschichte: Wie Hightech Menschen bewegt

Freitag. 19. Juli 2024 (Natalie Schalk)
Altes Foto einer Jugendstil-Schwimmhalle
Das frühere Ernst-Alexandrinen-Bad in Coburg. Foto: Initiative Stadtmuseum Coburg e.V. - Sammlung Herold digital
Ein Schlitten mit geschnitztem Pferdekopf und Verzierungen
Im Caroussel-Schlitten traten die Damen des Hofes zu Turnierspielen an. Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg.

Von Körperkult und innovativer Technik: Das neue Buch „Technologien im Sport“ zeigt, wie technologischer Wandel und große gesellschaftliche Veränderungen mit Gesundheit, Fitness und Freizeitspaß zusammenhängen. Mit-Herausgeber Prof. Dr. Christian Holtorf von der Hochschule Coburg geht der Frage nach, was Sport so innovativ, dynamisch und faszinierend macht. Renommierte Expertinnen und Experten verschiedener Disziplinen entwerfen ein aufschlussreiches und unterhaltsames Gesamtbild.

Sport erfordert Anstrengung. Technologie nimmt uns Arbeit ab. Das klingt zwar erst einmal nach einem Gegensatz, passt aber tatsächlich sehr gut zusammen, wie Prof. Dr. Christian Holtorf erklärt. Der Professor für Wissenschaftsforschung und Wissenschaftskommunikation an der Hochschule Coburg hat sich intensiv damit beschäftigt, dass schon lange Technologie im Sport eingesetzt wird. Im Barock zum Beispiel traten die Damen des Hofes mit Lanzen, Degen oder Pistolen zu Turnierspielen an – und zwar in einem Caroussel-Schlitten, wie er heute noch in den Kunstsammlungen der Veste Coburg zu sehen ist. Dieses kunstvoll verzierte Modell wird auch auf einer der zahlreichen Abbildungen gezeigt, die das neue Buch „Technologien im Sport. Körper, Praktiken und Diskurse im historischen Wandel“ illustrieren. Die Bilder zeigen auf den ersten Blick, dass es in jeder Zeit viele und dabei sehr unterschiedliche Wechselwirkungen zwischen Sport und der jeweils aktuellen Technik gab.

Technologischer Wandel im Sport

Heute reicht das vom Snowfarming in Wintersportgebieten über Wearables wie Fitnessuhren bis zum E-Sport der Computerspiel-Industrie. Der technologische Wandel im Sport steht dabei auch für drängende gesellschaftliche Aufgaben wie Nachhaltigkeit, Gesundheit und Globalisierung. Diese Zusammenhänge und die gesellschaftlichen Voraussetzungen und Folgen, die Sport so innovativ, dynamisch und faszinierend machen, werden in dem Sammelband wissenschaftlich von Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplinen beleuchtet.

Die Entstehung des Buches geht zurück auf das Themenjahr 2022 der TechnologieAllianzOberfranken (TAO). In TAO haben sich die beiden Universitäten Bamberg und Bayreuth sowie die Hochschulen Coburg und Hof zusammengeschlossen und im Themenjahr „Technologie und Sport“ ging es darum, einer breiten Öffentlichkeit technologische Innovationen, gesellschaftliche Trends und soziale Entwicklungen im Sport vorzustellen und zu diskutieren. Initiiert und geleitet wurde das Themenjahr von Prof. Dr. Christian Holtorf von der Hochschule Coburg. Er hat nun den Sammelband gemeinsam mit Prof. Dr. Olaf Stieglitz, Professor für Amerikanische Kulturgeschichte an der Uni Leipzig, herausgegeben. Viele der Beiträge im Buch haben deshalb einen Bezug zu Coburg oder Oberfranken.

In einem Kapitel erklärt der Landeshistoriker und Stadtheimatpfleger Dr. Christian Boseckert am Beispiel des Coburger Volksbades die deutsche Badekultur des 19. und 20. Jahrhunderts. Mit der Ausbreitung privater Badezimmer verloren sie ihre medizinisch-hygienische Bedeutung und wurden vielerorts abgerissen – so wie 1977 große Teile des Coburger Jugendstilbaus Alexandrinenbad. Die Leserinnen und Leser können sich mit ethischen Aspekten von Wearables auseinandersetzen, mit Körper- und Persönlichkeitsbildung, Geld und Profi-Fußball oder der Frage, ob E-Sport tatsächlich eine Sportart ist. Es geht um Männer, Frauen und Symbole im Sport, um Nationalsozialismus, um hintergründige und unterhaltsame Zusammenhänge zwischen Sport, technologischem Wandel und Gesellschaft.

Leichtathletik-Star Felix Streng im Interview

Die Sicht eines Spitzensportlers vertritt Felix Streng. „Ich habe für mich festgelegt, dass es für mich Lebenserfolg sein soll, in Tokio die 100 Meter zu gewinnen“, sagt der deutsche Leichtathletik-Star in einem Interview, das ebenfalls in dem Band nachzulesen ist. Er spricht sehr persönlich über internationale Erfolge, davon wie er bei den Paralympischen Spielen in Tokio Gold gewann, von Trainingsroutine und Teamgeist und davon welche Rolle Technik im Sport für ihn spielt. Streng wurde 1995 in La Paz ohne rechten Unterschenkel geboren, wuchs in Bolivien, England und einem Dorf im Landkreis Coburg auf, zog aber als 16-Jähriger in ein Sport-Internat. Technische Hilfsmittel wie Prothesen sind im paralympischen Spitzensport Hightech-Erfindungen. „Leistungssport wird immer innovations- und technikaffin sein“, sagt Streng. Er hat aber auch den Blick fürs Alltägliche, wo Technik ebenfalls viele Vorteile habe: Und die reichen vom klassischen Hometrainer über das Smartphone bis zu interaktiven Spiegeln für Fitnessprogramme oder YouTube-Videos für Yoga.

Zum Buch:
Technologien im Sport. Körper, Praktiken und Diskurse im historischen Wandel. Hg.: Prof. Dr. Christian Holtorf und Prof. Dr. Olaf Stieglitz. Verlag Erich Weiß, Bamberg, 2024, 152 Seiten mit vielen Abbildungen, 14,90 Euro, erhältlich  in der Buchhandlung Riemann am Markt 9 in Coburg.