Integrative Medizin in Wissenschaft und Praxis

Donnerstag. 30. Januar 2020 (Pressestelle)
Prof. Dr. Tobias Esch
Prof. Dr. Tobias Esch lehrte an der Hochschule Coburg und ist jetzt Institutsleiter an der Universität Witten-Herdecke.

Medizinische Anwendungen, die den ganzen Menschen in den Blick nehmen und die Ressourcen aktivieren, die zu einer Heilung führen, gewinnen in der Medizin zunehmend an Bedeutung. Bei einem Fachsymposium der Gesundheitsförderung zeigten Experten auf, wo die Chancen und die Hindernisse beim Einsatz der neuen Konzepte liegen.

Mehr als 100 Studierende des Bachelorstudiengangs Integrative Gesundheitsförderung, des Masterstudiengangs Gesundheitsförderung und interessierte Ärzte aus umliegenden Kliniken nahmen an dem Symposium teil. Sie erhielten einen breiten Einblick in eine Medizin, die zusätzlich zu der konventionellen Behandlungspraxis vor allem den Menschen und seine Ressourcen im Fokus hat. Renommierte Fachvertreter der Integrativmedizin referierten unter der Leitung von Prof. Dr. Karin Meißner von der Hochschule Coburg über die zugrundeliegenden Konzepte und ihre Anwendung in ihrem beruflichen Alltag.

Den Auftakt machte Prof. Dr. Tobias Esch. Er lehrte an der Hochschule Coburg und war 2005 an der Gründung des Bachelorstudiengangs Integrative Gesundheitsförderung (IGF) beteiligt. Heute ist er Direktor des Instituts für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung an der Universität Witten-Herdecke. An der primärmedizinischen, vollständig digitalisierten Universitätsambulanz in Witten/Herdecke wird das 2-Türen-Modell praktiziert. D.h., die Patienten werden sowohl konventionell als auch komplementärmedizinisch behandelt. Dabei steht der Patient mit seinen eigenen Ressourcen und Stärken im Mittelpunkt und lernt von einem interdisziplinären Team. Hier ist auch eine Absolventin der Hochschule Coburg tätig, die den Patienten u.a. ein ganzheitliches 4-Säulen-Programm vermittelt, das Stressreduktion, ausreichend Bewegung, regelmäßige Entspannung sowie Achtsamkeit im Bereich der Ernährung umfasst und neben der Selbstheilung vor allem der Gesundheitsförderung dient.

Als Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des Bayerischen Hausärzteverbands stellte Dr. Ernst Engelmayr, Facharzt für Allgemeinmedizin mit Zusatzausbildung in Naturheilverfahren und Akupunktur, die unterschiedlichen Therapieformen der Komplementärmedizin vor. Er wies dabei auch auf die Grenzen des Einsatzes im hausärztlichen Alltag hin. Diese würden zum einem beim Patienten selbst liegen, vor allem, wenn es um Lebensstilveränderungen geht, zum anderen aber auch im deutschen Gesundheitssystem, das bei vielen Verfahren den Patienten als Selbstzahler zur Kasse bittet.  

Behandlung chronischer Erkrankungen

Bei Prof. Dr. Jost Langhorst, Chefarzt der Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde der Sozialstiftung Bamberg, liegt der Behandlungsschwerpunkt auf Patienten mit chronischen Erkrankungen. Ihre Behandlung geschieht unter salutogenetischen Gesichtspunkten. Dazu gehört die Identifizierung von Schutz- und Risikofaktoren für Gesundheitsprozesse. Zum Einsatz kommen u.a. die Pflanzenheilkunde, ordnungstherapeutische Elemente zur Strukturierung der Lebensverhältnisse sowie beispielsweise eine Vollwerternährung. Stets mit dem Ziel die Selbstheilungskräfte der Betroffenen anzuregen. Langhorst legte den Fokus auch auf die wissenschaftlich nachgewiesene Wirksamkeit der eingesetzten Therapieverfahren.

Dr. Oliver Somburg, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Zschadraß/Sachsen, skizzierte den ganzheitlichen Ansatz, mit dem sein Team den Patienten begegnet. Ob Gesprächstherapien, Naturheilkunde oder Meditation – stets ist die Behandlung personenzentriert. Integrative Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie verknüpfen verschiedene Elemente der Komplementärmedizin, die dabei auf die aktuelle Lebenssituation des Menschen abgestimmt werden und ihn dort abholen, wo er individuell steht. Dabei geht es häufig darum, das Naheliegende wieder zu entdecken und einer zunehmenden Selbst-Entfremdung in unserer schnelllebigen Zeit entgegenzuwirken.

Multimodale Schmerztherapie

Unter dem Motto: „Interdisziplinarität – Ganzheitlichkeit – Qualität – Menschlichkeit“ gab Dr. Klaus Post, Chefarzt des Schmerzzentrums im REGIOMED Klinikum Coburg, einen Einblick in die multimodale Schmerztherapie, die bei Patienten mit akuten und chronischen Schmerzen ansetzt. Neben einer klassischen medizinischen Schmerztherapie werden die Patienten für die Themen Ernährung, Bewegung und Stressreduktion sensibilisiert. Und es werden komplementäre Verfahren der Naturheilkunde sowie Elemente der Traditionellen Chinesischen Medizin und Yoga zielgruppenspezifisch angewandt.